Neue Wege gehen: Führen in Teilzeit bei der ARAG
Interview mit Thomas Schmidt, Abteilungsleiter Personalentwicklung
Herr Schmidt, warum engagiert sich die ARAG im Bereich Gender Diversity?
Natürlich wird dieses Thema nicht nur in Politik und Gesellschaft diskutiert, sondern auch bei uns im Haus. Wir merken deutlich, dass die Relevanz auch bei uns zugenommen hat. Für uns ist dies ein klares Thema der Demografie-Sicherung. Unsere Hypothese ist: Wenn unser Unternehmen auch in einigen Jahren noch zukunftssicher aufgestellt sein soll, müssen wir uns um alle Interessengruppen bemühen. Dazu gehören natürlich auch insbesondere weibliche Fach- und Führungskräfte.
Zuvor wollten wir aber die Belegschaft zu Wort kommen lassen. Also haben wir im Haus eine Befragung zu den Themen Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchgeführt und daraus mögliche Maßnahmen abgeleitet. Aus den Ergebnissen wurde deutlich, dass es wichtig ist, das Thema Gender Diversity weiterzutreiben. Der Konzernvorstand der ARAG SE hat die Bereiche Human Resources und Konzernentwicklung daher mit einem Projekt beauftragt, um einen Großteil der empfohlenen Maßnahmen umzusetzen. Darunter finden sich Themen wie die weitere Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Telearbeit und Home Office, die Optimierung der Mitarbeiterbetreuung vor, während und nach der Elternzeit, Unterstützung der Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung oder bei der Pflege von Angehörigen – also ganz unterschiedliche Handlungsfelder.
Können Sie aus diesen Maßnahmen ein Beispiel herausgreifen?
Wir haben die Entscheidung getroffen, das Thema „Führen in Teilzeit“ anzugehen. Dies wird in 2014 umgesetzt. Wir gehen sogar soweit, dass wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen das Recht einräumen, ihre Tätigkeit/Führungsfunktion für einen befristeten Zeitraum in Teilzeit auszuüben. Wir werden das ganz bewusst möglich machen und auf die Geltendmachung von entgegenstehenden betrieblichen Interessen an dieser Stelle verzichten.
Wie sieht das denn konkret aus?
Die Eckpunkte sind Folgende: Mit einer Ankündigungszeit von sechs Wochen kann eine Führungskraft für maximal 12 Monate ihre Arbeitszeit auf minimal 30 Stunden verkürzen. Die Zustimmung ihres Vorgesetzten ist dafür nicht erforderlich. Darüber hinaus besteht die Option, jederzeit in Vollzeit zurückzukehren. Dieser Anspruch gilt einmalig für jedes Kind unter 12 Jahren oder pflegebedürftigen Angehörigen mit mindestens Pflegestufe 1.
Das heißt, nach der Elternzeit kommen auch alle Führungskräfte zurück auf eine Führungsposition?
Führen in Teilzeit und Elternzeit sind zwei unterschiedliche Themen. Als Familienunternehmen prüfen wir natürlich auch im Fall von Elternzeit alle Optionen, die eine Rückkehr auf eine Führungsposition ermöglichen. Das funktioniert entweder über befristeten Ersatz, über stellvertretende Positionen oder über die Steuerung von Seiten des Vorgesetzten. Die Erfahrung heute ist: Wenn Männer oder Frauen mit Führungsaufgaben in Elternzeit gehen, dann besprechen sie häufig schon im Vorfeld mit uns, wann sie planen, wieder zurückzukommen. So lassen sich auch individuelle Rückkehroptionen ermöglichen. Das ist sicher ein Unterschied zu den Großunternehmen. Aufgrund unserer Unternehmensgröße können wir hier noch ein Stück mehr Individualität ermöglichen.
Wenn Sie bisher immer Einzelfalllösungen gefunden haben, warum wollen Sie diesen Prozess jetzt formalisieren?
Wir sehen darin einen Mehrwert. Sicher machen wir auf der individuellen Ebene schon viele Dinge möglich. Aber wir wollen dies noch deutlich stärker strukturieren und auch bekannter machen. Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfen kein Geheimwissen sein, sondern stellen ein Angebot für alle Mitarbeiter dar. Auch jenseits des Einzelfalls bieten wir als Unternehmen die Möglichkeit, vorher festgelegte Optionen zu wählen. Bei Führung in Teilzeit geben wir den betroffenen Vorgesetzten bei dem oben skizzierten Modell auch nicht mehr die Möglichkeit eines Einspruchs. Dies ist schon etwas anderes, als wenn Sie kommunizieren: „Ja, im Einzelfall finden wir da sicher eine Lösung.“ Das ist vielmehr ein unternehmerisches Diktum: „So wollen wir das.“ Ein familienfreundliches Unternehmen muss so etwas möglich machen.
Sie versuchen also vor allem über das Thema Arbeitszeit mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen?
Unser Kernziel bei den Themen Arbeitszeiten und Arbeitsprozesse ist es, dass Arbeitszeiten und Arbeitsorte noch stärker an den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgerichtet und flexibel gestaltet werden. Flexible Arbeitszeitmodelle bieten wir heute schon, glauben aber, dass es Sinn macht, das noch einmal zu prüfen: Wo sind weitere Home-Office-Möglichkeiten? Wo sind weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten? Dies sind Themen, zu denen wir auch mit den zuständigen Betriebsratsgremien in regelmäßiger Diskussion stehen.
Was planen Sie noch, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser zu ermöglichen?
Neben der Führung in Teilzeit bieten wir Betreuung vor, während und nach der Elternzeit – also Kontaktpflege bis hin zum Wiedereinstieg. Darüber hinaus können sich Mitarbeiter neuerdings Notfall-Notebooks leihen, mit denen man von zuhause aus arbeiten kann. Ferienfreizeiten, Kinderbetreuung und Notfallbetreuung werden wir über einen externen Dienstleister und durch die Einbindung von Kitas vor Ort ermöglichen. Außerdem haben wir in Düsseldorf und seit Januar 2014 auch in München ein „Mit-Kind-Büro“, damit Mitarbeiter bei kurzfristigen Betreuungsengpässen ihre Kinder mitbringen können. Es sind viele kleine Dinge, die wir machen, die aber auf große Wertschätzung treffen. So haben wir kürzlich Hochstühle für Kinder in der Kantine angeschafft. Das wird sehr gut aufgenommen – wir hatten im Intranet sofort 30 „Likes“ zu dieser Maßnahme.
Thomas Schmidt
ARAG SE
Abteilungsleiter Personalentwicklung