Sitzung des Branchenbeirats am 5. Dezember 2023
Die Bedeutung von Diversität und psychologischer Sicherheit
Wer sagt im beruflichen Kontext immer ganz genau das, was er denkt? Beispielsweise, wenn ein Projekt an die Wand läuft?
Oft halten sich Mitarbeiter wie auch Führungskräfte zurück, weil sie befürchten „oben“ anzuecken. Das englische Sprichwort „Don´t shoot the messenger“ kommt schließlich nicht von irgendwoher.
Psychologische Sicherheit als Basis für Innovation und Inklusion war das Thema unserer letzten AGV-Branchenbeiratssitzung „Women in Leadership & Culture“. Harvard Professorin Amy Edmondson hat diesen Begriff geprägt. Darunter versteht man ein Konzept für Teams und ihre Führungskräfte. Es geht um die Überzeugung der Teammitglieder, dass sie Risiken eingehen, Ideen äußern, Bedenken vorbringen und Fehler zugeben können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
Ranja Reda Kouba, Head of Customer Engineering, Financial Services bei Google berichtete, warum dieses Thema bei Google eine Riesenbedeutung hat. In einer zunehmend unvorhersehbaren Wirtschaftswelt sind unterschiedlichste Perspektiven essentiell, um Trends von morgen nicht zu verschlafen. Google legt bereits beim Recruiting großen Wert, inklusive Führungskräfte zu identifizieren. 360° Feedbacks der Führungsmannschaft seien ein guter Startpunkt, um eine Kultur der konstruktiven Kritikfähigkeit zu initiieren. Ohne authentisches Vorleben aus dem Topmanagement könne sich psychologische Sicherheit im Team nicht etablieren. Ablehnung aus dem Management, hänge oft auch mit eigenen Ängsten zusammen, den neuen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Viele Führungskräfte wurden schließlich auch jahrzehntelang dahingehend „sozialisiert“, keine „Schwäche“ zu zeigen. Von daher sei es gut, sich mit dieser „Angst“ zu befassen und auch den Führungskräften psychologische Sicherheit zu vermitteln – so Ranja Reda Kouba.
Auch viele Versicherungsunternehmen befassen sich mit „psychologischer Sicherheit“. Manche Häuser nennen es „Speak-Up-Kultur“ manche beschreiben es mit „Vertrauen und Offenheit“ in den Leadership-Werten. Der Begriff „psychologische Sicherheit“, so Ulrike Zeiler, Vorsitzende, unseres Branchenbeirats sowie Vorständin bei der Allianz Versicherungs-AG resoniere jedoch sehr gut bei den Mitarbeitenden, weil er kulturell sehr viel mehr bedeute als die reine Arbeitsplatzsicherheit. Clemens Vatter, Vorstand bei der SIGNAL IDUNA Gruppe, die mit Google ein Cloud Projekt durchführt, teilte mit, dass bereits der Vortrag von Ranja Reda Kouba sehr viel gute Reflektionen in seiner Organisation ausgelöst habe. Psychologische Sicherheit sei eine Leadership-Facette, die immer mehr Führungskräfte bewusst realisieren.
Die „operative“ Umsetzung sei jedoch oft herausfordernd, da die Führungskultur der Vergangenheit stark von Hierarchie und „den Schuldigen suchen“ geprägt war – so auch ein gemeinsames Fazit aus der Diskussion. Anonyme Mitarbeiterbefragungen samt Bewertungen der Führung seien mittlerweile in den Unternehmen die Regel. Dies fördere eine Kultur der Offenheit und Transparenz.
So wird laut unserer AGV-Erhebung das Vertrauensverhältnis zur direkten Führungskraft von über 80 % der Beschäftigten als ausgezeichnet, sehr gut oder gut bewertet. Die Bereitschaft der direkten Führungskraft, sich mit kritischen Rückmeldungen auseinander zu setzen, bewerten aber auch ein Viertel der Beschäftigten als akzeptabel oder schlecht. Genauso viele sagen, dass die eigene Führungskraft kritisch mit innovativen Ideen umgeht.
Umfassende 360° Feedbacks des Managements-Teams sind bislang noch nicht weit verbreitet. Das ist sicherlich einer der nächsten Schritte, dieses Thema weiter auszubauen.
Der AGV-Branchenbeirat „Women in Leadership & Culture” treibt als Gemeinschaftsprojekt der Versicherungsbranche Diversity und Kultur-Themen in der Branche an. Projektleitende sind Betina Kirsch, AGV Geschäftsführerin sowie Simone Rehbronn, Diplom-Volkswirtin.