Hier: Rationalisierungsschutzabkommen und Tarifsozialpläne
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Tarif-Nachrichten Nr. 1/2009 vom 15. Juni 2009 hatten wir Sie über den Tarifabschluss vom 4. Juni 2009 informiert.
Wie in unserem damaligen Rundschreiben mitgeteilt, wurde die Kündigungsmöglichkeit für das Rationalisierungsschutzabkommen (RSchA) entsprechend einer Forderung des AGV bis 31. Dezember 2010 ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass ver.di im Bereich des privaten Bankgewerbes das Rationalisierungsschutzabkommen zum 31. Dezember 2008 gekündigt hatte. Diese Kündigung war eine Reaktion der Gewerkschaft auf das vom AGV gegenüber ver.di erstrittene Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 28. September 2007 (8 Sa 916/07). Dort hatte das LAG Berlin-Brandenburg entschieden, dass die Gewerkschaft Arbeitskampfmaßnahmen zum Zwecke der Durchsetzung von Tarifsozialplänen solange nicht durchführen darf, solange das RSchA besteht.
Zwischenzeitlich versucht ver.di den Eindruck zu erwecken, dass – entgegen der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 28. September 2007 – Arbeitskampfmaßnahmen auch in der Versicherungswirtschaft (gegenüber den tarifgebundenen Unternehmen) zum Zwecke der Durchsetzung eines Tarifsozialplans durchgeführt werden können.
In der Financial Times Deutschland vom 15.06.2009 wird berichtet:
„In der Gewerkschaft hieß es, mit dem Abschluss seien die Konfliktthemen in den einzelnen Unternehmen vor allem um Arbeitsplatzabbau nicht vom Tisch. Notfalls werde ver.di in diesen Fällen auch streiken.“
Auf einem Flugblatt aus Juni 2009 teilt ver.di unter der Überschrift „Falschmeldung in den Medien“ Folgendes mit:
„Die in einigen Medien verbreitete Meldung, die Tarifvereinbarung sehe vor, dass ver.di bei betriebsbedingten Kündigungen auf Widerstand per Streik verzichtet, ist falsch! Über einen Streikverzicht wurde weder gesprochen, noch etwas vereinbart. Richtig ist, dass wir in diesem Jahr das Rationalisierungsschutzabkommen nicht kündigen werden. Das wird uns nicht hindern, alles zu tun, um betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern.“
Zu diesen Mitteilungen stellen wir Folgendes fest:
Der AGV verfügt mit rechtskräftigem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 28. September 2007 weiterhin über einen vollstreckbaren Unterlassungstitel hinsichtlich derjenigen Bestandteile, die Wesenselemente eines Tarifsozialplanes sind (z. B. Verzichtsregelungen zu betriebsbedingten Kündigungen, Ausschluss von Mehrarbeit, Abfindungsregelungen etc.). Der Tenor der rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheidung lautet u. a. wie folgt:
„Die Beklagte (ver.di) wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter der Beklagten, verurteilt, es zu unterlassen, ihre Mitglieder zu Warnstreiks gegenüber Mitgliedern des Klägers (AGV) aufzurufen, deren Ziel die Durchsetzung der Forderung ist, auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu verzichten, solange der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe und das Rationalisierungsschutzabkommen für das private Versicherungsgewerbe in Kraft sind.“
(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.09.2007 – 8 Sa 916/07; rechtskräftig)
Der AGV wird von seinem Unterlassungstitel Gebrauch machen, sofern die Gewerkschaft ver.di gegen die bestehende Unterlassungsverfügung verstoßen sollte. Die tarifgebundenen Mitglieder des AGV (ca. 95 % aller Versicherungsunternehmen in Deutschland) genießen in Umstrukturierungssituationen den Schutz der „relativen Friedenspflicht“ und können nicht zum Zwecke der Durchsetzung eines Tarifsozialplans bestreikt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Michael Niebler, Dr. Sebastian Hopfner