Vielfalt als Chance. Das „Own The Way You Work“-Modell der Swiss Re
Interview mit Nia Joynson-Romanzina, Head Global Diversity & Inclusion
Frau Joynson-Romanzina, wie würden Sie Ihre Diversity-Strategie bei der Swiss Re beschreiben?
Unser Ziel bei Swiss Re ist, möglichst alle Mitarbeiter in den Prozess einzubeziehen. Denn wir glauben fest daran, dass wir eine Kultur der Vielfalt dann am besten etablieren können, wenn wir uns vor Augen halten, wie unterschiedlich wir alle sind. Unser Geschäftsfeld ist ja an sich schon global, mit circa 10.000 Mitarbeitern weltweit. Und jeder dieser Mitarbeiter sieht die Welt mit anderen Augen. Jeder bringt neue Perspektiven und Ideen ein. Und das wiederum bringt einen enormen Reichtum an Gedanken und Meinungen, der uns auch im Umgang mit unseren Kunden und Partnern stärkt. Ich sehe meine Aufgabe als Global Head of Diversity & Inclusion insbesondere darin, uns diesen Reichtum bestmöglich zu Nutzen zu machen.
Was genau verstehen Sie denn unter Diversity?
Nun, da gibt es zunächst die offensichtlichen Unterschiede wie Alter, Geschlecht, Erscheinungsbild oder Herkunft. Aber es gibt noch weitere, wenn wir hinter diese sichtbaren Unterschiede blicken. Wie und wo wir aufgewachsen sind, woran wir glauben, welche Sprache wir sprechen oder in welcher Familienform wir leben und noch vieles mehr. Und diese Kombination aus sichtbarer und unsichtbarer Diversity wollen wir bestmöglich wertschätzen. Denn aus diesen Unterschieden entstehen auch wieder verschiedene Kenntnisse, Fähigkeiten, Denkprozesse, Arbeitsansätze und Erfahrungen, die unsere Mitarbeiter einbringen können.
Und was bringt das Ihrem Unternehmen?
Wir sehen dadurch eine Möglichkeit, unsere Performance zu steigern. Durch unterschiedliche Entscheidungsfindungen wird die Innovationskraft verbessert. Außerdem machen wir uns als Arbeitgebermarke attraktiver, was in einer Zeit, in dem wir uns im Wettbewerb um die besten Talente befinden, besonders wichtig ist.
Wie machen Sie sich diese Unterschiede denn zu Nutze?
Indem wir uns bewusst machen, dass wir als Unternehmen dann am stärksten sind, wenn die Mitarbeiterschaft aus dynamischen, effizienten und engagierten Personen besteht. Um diesen Mix bestehen zu lassen, wollen wir auf die unterschiedlichen Bedürfnisse bestmöglich reagieren.
Wie gehen Sie denn konkret vor?
Wir haben eine Strategie entwickelt, die wir „Own the Way You Work™: Living Team Spirit“ nennen. Eigenverantwortung dafür, wie wir am besten arbeiten. Die Vision dahinter ist, dass wir ein Arbeitsklima schaffen, in dem Vertrauen, Verantwortung, Mitwirkungsmöglichkeiten und Selbständigkeit wertgeschätzt werden. Konkret heißt das: Wir bieten größere Spielräume, was das Wie, Wo und Wann unserer Arbeit betrifft. Was zählt, ist nicht die Anwesenheit, sondern die Leistung eines jeden Mitarbeiters. Unsere Führungskräfte führen anhand von Ergebnissen. Dahinter steht der Gedanke, dass unsere Mitarbeiter zufriedener, motivierter und produktiver sind, wenn wir ihnen mehr Freiheit geben, wie sie ihren Beitrag zum bestmöglichen Erfolg unseres Unternehmens leisten können.
Können Sie das noch etwas genauer beschreiben?
„Own the Way You Work™: Living Team Spirit” baut auf vier Blöcken auf:
Erstens: „One size does not fit all.” Es gibt kein Allgemeinrezept. Einige Leute wollen weiter auf traditionelle Art und Weise arbeiten und Beruf und Privates strikt trennen – räumlich und zeitlich. Andere wollen die Linien verwischen. Jeder soll die Möglichkeit haben, mit seinem Vorgesetzten über die eine oder die andere Alternative reden zu können.
Zweitens: „Work smarter, not longer.” Wir sagen Ja zur Bewertung aufgrund von Ergebnissen und Nein zur Bewertung aufgrund von Anwesenheit.
Drittens: „Focus on the team rather than the individual.” Durch Transparenz und Offenheit wollen wir bestmögliche Teamergebnisse erzielen. Denn wir sind überzeugt, dass man Arbeitsabläufe verbessern kann, wenn man als Team eine Strategie verfolgt und durch richtige Prioritätensetzung und Aufgabenteilung die Arbeitsprozesse verbessert.
Und schließlich viertens: „Reinforce trust, respect and open dialogue.“ Vertrauen, Respekt und Dialog zwischen den Mitarbeitern selbst, im Team und mit den Vorgesetzten sind die Voraussetzung dafür, dass dies alles gelingen kann. Offene Aussprachen sind besser als viele der ungeschriebenen Gesetze, die lange Zeit von Ebene zu Ebene weitergegeben wurden.
Gibt es Schwierigkeiten, das Konzept auf allen Ebenen umzusetzen?
Ich glaube, manchmal ist es schwierig, keine schablonenhaften Vorgaben mehr zu haben. Man muss selbst Regeln finden, die zum eigenen Team passen. Das fällt manchen Führungskräften am Anfang schwer. Wichtig ist hier, dass man die Erwartungen richtig steuert. Man muss sich zusammensetzen und zum Beispiel festlegen: Wird erwartet, dass man in der Abwesenheit E-Mails checkt oder ans Telefon geht? Manche Leute mögen das, andere wollen klare Trennlinien. Das muss man im Team abstecken. Denn es gibt keine goldene Regel, die für alle passt. Jedes Team muss mit seiner Führungskraft für sich selbst den richtigen Weg finden – das ist eine große Freiheit einerseits, aber natürlich auch eine gewisse Herausforderung andererseits.
Was versprechen Sie sich von diesen Entwicklungen?
Unser Verständnis ist: Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir attraktiv sein. Für alle Generationen, in allen Regionen, für Menschen mit verschiedenem Hintergrund. Wenn wir wollen, dass sie bei Swiss Re arbeiten und auch bei Swiss Re bleiben, müssen wir beweglich sein und auch nicht-traditionelle Arbeitsverhältnisse anbieten. Nur so öffnen wir die Tür für hochbegabte und hochqualifizierte Mitarbeiter. Auch für diejenigen, die sich sonst vielleicht gar nicht bei uns bewerben würden oder die sonst gar keine Möglichkeit hätten, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Wir sehen großes Potenzial darin, dass wir uns vom traditionellen Arbeitsmodell wegbewegen.
Nia Joynson-Romanzina
Swiss Reinsurance Company Ltd
Head Global Diversity & Inclusion