TV Entgeltumwandlung bedingt § 1a Abs. 1a BetrAVG ab.
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) vom 17. August 2017 (BGBl 2017, Teil I Nr. 58) wird mit Wirkung ab 1. Januar 2019 zugunsten von Arbeitnehmern, die eine Entgeltumwandlung in einen Beitrag zu einer Direktversicherung, einer Pensionskasse oder einem Pensionsfonds vornehmen, grundsätzlich ein sog. „Arbeitgeberzuschuss“ i.H.v. 15 % des umgewandelten Entgelts eingeführt, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart (§ 1a Abs. 1a BetrAVG in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung).
Für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen wurden, soll die Pflicht zum Arbeitgeberzuschuss erst ab 1. Januar 2022 gelten (§ 26a BetrAVG in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung).
Diese Arbeitgeberzuschussregelungen gelten nicht für die unmittelbar tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des AGV. Für diese gilt nämlich der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV EU) in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung. Der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung sieht seinerseits keinen Arbeitgeberzuschuss vor.
Mit dem Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung haben die Tarifvertragsparteien für die private Versicherungswirtschaft die gesetzliche Regelung zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) vollständig abbedungen. Dies gilt folglich auch für den neuen Abs. 1a des § 1a BetrAVG n.F.
Die Abbedingung des § 1a BetrAVG n.F. ist aufgrund der Tarifvertragsöffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG möglich.
Da der Gesetzgeber mit der Einführung des § 1a Abs. 1a BetrAVG n.F. den grundgesetzlich geschützten Grundsatz der Tarifautonomie respektiert hat, gelten Tarifverträge, die § 1a BetrAVG abbedingen, ohne die Frage des Arbeitgeberzuschusses zu regeln (weder positiv noch negativ), unverändert fort und führen zu einer Abbedingung auch des neuen Abs. 1a der gesetzlichen Vorschrift (vgl. Thüsing/Weden, BetrAV 2018, S. 5 ff.).
Dass die Tarifvertragsparteien der privaten Versicherungswirtschaft einen Arbeitgeberzuschuss bei der Entgeltumwandlung unter dem Gesichtspunkt vermeintlich „ersparter“ Sozialversicherungsbeiträge nicht einführen wollen und nicht einführen wollten, ergibt sich im Übrigen aus folgenden Umständen:
- Die Frage eines Arbeitgeberzuschusses unter dem Gesichtspunkt von „ersparten Arbeitgeberbeiträgen“ zur Sozialversicherung war Gegenstand der Gespräche zwischen dem AGV und ver.di bei Abschluss des Tarifvertrages zur Entgeltumwandlung am 6. April 2005. Mit Blick darauf, dass die Versicherungsunternehmen weitreichend und deutlich überdurchschnittlich arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung anbieten, sahen die Tarifvertragsparteien für die private Versicherungswirtschaft – anders als Tarifvertragsparteien anderer Tarifbereiche – davon ab, im TV EU einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag bei Entgeltumwandlung vorzusehen.
- Die Tarifvertragsparteien der Versicherungswirtschaft haben mit Tarifvereinbarung vom 30. August 2017 den Wortlaut der Präambel des TV Entgeltumwandlung angepasst und hierbei auf die Tariföffnungsklausel des § 19 BetrAVG (vormals § 17 Abs. 3 BetrAVG) Bezug genommen bzw. die tarifliche Regelung redaktionell angepasst. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, dass der TV EU auch im Lichte des durch das BSRG geänderten BetrAVG unverändert weiter gelten soll.
Da § 2 TV EU die Entgeltumwandlung auch hinsichtlich übertariflicher Gehaltsbestandteile regelt, gilt die Abbedingung des § 1a Abs. 1a BetrAVG auch hinsichtlich übertariflicher Entgeltbestandteile.
Abweichende Auffassung von ver.di
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Gewerkschaft ver.di zur Frage der Abbedingung des § 1a Abs. 1a BetrAVG durch den TV EU bislang eine abweichende Auffassung vertritt. Gemäß dem in Anlage beigefügten Rundschreiben der Gewerkschaft soll sich aus § 26a BetrAVG n.F. ergeben, dass – so ist das Rundschreiben von ver.di wohl zu verstehen – ab dem 1. Januar 2022 auch für die unter den Geltungsbereich des TV EU fallenden Arbeitgeber eine Pflicht zur Gewährung des sog. „Arbeitgeberzuschusses“ bei Entgeltumwandlung besteht.
Diese gewerkschaftliche Rechtsauffassung ist unzutreffend. § 26a BetrAVG ist schon deshalb nicht einschlägig, weil sich diese Vorschrift auf die eigentliche Entgeltumwandlungsvereinbarung bezieht, also diejenige Vereinbarung, mit welcher die Arbeitsvertragsparteien oder diejenigen Parteien, die die Entgeltbestandteile rechtsverbindlich vereinbaren (auf betrieblicher Ebene die Betriebsparteien, auf tariflicher Ebene die Tarifvertragsparteien) festlegen, dass anstelle von Barlohn (Entgelt) eine betriebliche Altersversorgung geleistet wird. Der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung stellt jedoch keine „Entgeltumwandlungsvereinbarung“ dar. Er schafft vielmehr lediglich den rechtlichen Rahmen für eine individualvertraglich zu gestaltende Entgeltumwandlungsabrede.
Die Regelung des § 26a BetrAVG n.F. bezieht sich dagegen auf kollektive Regelungen, die unmittelbar eine Umwandlung von Entgelt in betriebliche Altersversorgung festlegen.
Auch im Übrigen erweisen sich die seitens der Gewerkschaft bemühten Rechtsargumente nicht als tragfähig:
Die seitens des AGV vertretene Rechtsauffassung stellt nicht auf das Günstigkeitsprinzip ab. Insofern sind die Erwägungen zum Günstigkeitsprinzip nicht relevant.
Soweit behauptet wird, es müsse im Tarifvertrag ausdrücklich der Arbeitgeberzuschuss abbedungen werden, gibt es für eine solche Auffassung keinerlei Rechtsgrundlage. Tarifverträge gestalten die Arbeitsbedingungen für die Zukunft und unbesehen der in der Zukunft liegenden etwaigen gesetzlichen Entwicklungen. Es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob und inwieweit auf tarifvertragliche Bestimmungen bei der Neuschaffung von gesetzlichen Regelungen Rücksicht genommen wird. Schafft der Gesetzgeber nicht tarifdispositives Gesetzesrecht, so sind Tarifbestimmungen, die dem Gesetzesrecht widersprechen, für die Zukunft unwirksam. Bedient sich der Gesetzgeber jedoch tarifdispositiven Rechts, so geht er davon aus, dass diejenigen Tarifverträge, die den Regelungsgegenstand bereits erfasst haben, auch weiterhin Gültigkeit erlangen, auch wenn die tarifvertraglichen Regelungen ggf. schlechtere Konditionen vorsehen als das neu geschaffene Gesetzesrecht. In letztgenannter Art und Weise ist der Gesetzgeber bei der Einführung des sog. „Arbeitgeberzuschusses“ verfahren.
Gerade weil die gesetzliche Regelung nicht definiert, dass in Bezug auf die Tarifdispositivität des § 1a Abs. 1a BetrAVG die Tariföffnungsklausel des § 19 BetrAVG n.F. nur für die Zukunft gelten möge, kommt es zur Nichtgeltung der Arbeitgeberzuschussregelung, wenn die Tarifvertragsparteien ihrerseits den Regelungsgegenstand der Entgeltumwandlung bereits vollumfänglich geregelt haben und hierbei keinen Arbeitgeberzuschuss vorsahen (so auch ausdrücklich Thüsing/Weden, BetrAV 2018, S. 5 ff.).
Soweit ver.di darauf verweist, die Präambel des TV EU würde noch auf die alte Fassung der Tariföffnungsklausel (§ 17 Abs. 3 BetrAVG a.F.) verweisen, ist diese Behauptung in tatsächlicher Hinsicht unrichtig. Die Tarifvertragsparteien haben mit Tarifvereinbarung vom 30. August 2017 in Ansehung des BRSG richtigerweise auf die Tariföffnungsklausel des § 19 BetrAVG n.F. in Bezug genommen.
Die hier vertretene Rechtsauffassung stellt die derzeit herrschende Meinung zur geschilderten Rechtsfrage dar und wird so auch von Gewerkschaftsorganisationen vertreten. So haben z.B. die Tarifvertragsparteien für die Metallindustrie etwa für das Land Baden-Württemberg am 5. Februar 2018 folgende klarstellende Regelung vereinbart (Hervorhebungen durch den AGV):
„Die Tarifvertragsparteien bestätigen gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG, dass die bei der Bruttoentgeltumwandlung entfallenden SV-Anteile des Arbeitgebers aus den im Verhandlungsergebnis 2001 zum TV EU genannten Gründen weiterhin nicht an die Beschäftigten weitergegeben werden müssen.“
Tarifverträge, die die Entgeltumwandlung abschließend regeln, bedingen auch dann die neu eingeführte Regelung zum Arbeitgeberzuschuss ab, wenn diese zur Frage des Arbeitgeberzuschusses keine Aussage treffen.