TN 01/2022, 26.01.2022

Tarifverhandlungen Innendienst 2022/2023/2024

1. Tarifrunde virtuell

Am 26. Januar 2022 fand in virtueller Form die erste Runde der Tarifhandlungen für die rund 172.000 Innendienst-Angestellten unserer Branche (einschließlich der Auszubildenden) statt.

Die Verhandlungskommission des Arbeitgeberverbandes wurde von Dr. Andreas Eurich, Vorsitzender des AGV und Vorstandsvorsitzender der Barmenia Versicherung, geleitet. Verhandelt wurde mit den Gewerkschaften ver.di und DBV. Die DHV ist hingegen nach dem Verlust ihres Status als tariffähige Gewerkschaft durch Entscheidung des Bundesarbeitsgericht aus Juni 2021 kein Tarifpartner des AGV mehr.

In der ersten Verhandlungsrunde stand der Meinungsaustausch über die volkswirtschaftlichen Rahmendaten und die Entwicklung der einzelnen Sparten der Versicherungswirtschaft im Mittelpunkt.

Für den AGV ordnete Professor Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, die aktuelle volkswirtschaftliche Lage in Deutschland ein. Dabei lenkte er seinen Fokus auf die schwachen mittelfristigen Wachstumsaussichten und die mögliche Gefahr in eine sich verfestigende Stagflation zu rutschen. Ausführlich diskutierte Prof. Hüther die Ursachen der aktuellen Inflationsentwicklung. Für das Gesamtjahr 2022 soll demnach die Inflation bei 2,9 % liegen und für 2023 im 2-Prozent-Zielkorridor der EZB einpendeln. Ferner wies er darauf hin, dass es nicht die Aufgabe der Arbeitgeber sei, die politisch induzierte Inflation (Stichwort: Dekarbonisierung und laufende Erhöhung der CO2-Preise) auszugleichen. Hier sei vielmehr die Politik gefragt.

Die Lohnentwicklung in der Versicherungsbranche verlaufe parallel zu der anderer Branchen und liege sogar über dem Verarbeitenden Gewerbe und der Automobilindustrie. Deshalb könne man keinen Nachholbedarf für die Versicherungswirtschaft erkennen.

AGV-Geschäftsführer Dr. Michael Gold wies darauf hin, dass die Beitragsentwicklung in der Lebensversicherung aufgrund des schwierigen Marktumfeldes seit Jahren nahezu stagniere. Das Einmalgeschäft im Bereich Leben sei rückläufig, der laufende Beitrag sei kein Wachstumstreiber. In der Privaten Krankenversicherung zeige sich seit 10 Jahren ein leichter kontinuierlicher Abrieb im Versicherungsbestand der Vollversicherung. Gleichzeitig erfordern Digitalisierung, Regulierung und die Gestaltung moderner Arbeitsplätze erhebliche Investitionen. Die Finanzmarktsituation mit hoher Volatilität und langanhaltendem Niedrigzinsumfeld setze den Versicherern ebenfalls zu. In der Pandemie hätten die Versicherer sich erneut als gute Arbeitgeber gezeigt – Kurzarbeit sei nicht zum Einsatz gekommen, die schwarze Null in den Beschäftigenzahlen stehe. Dieses herausfordernde Gesamtumfeld brauche eine Tarifpolitik mit Augenmaß, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Beschäftigung zu sichern.

ver.di-Verhandlungsführerin Martina Grundler wiederholte die Forderungen, die die große Tarifkommission ihrer Gewerkschaft im Dezember 2021 beschlossen hatte:

  • Erhöhung der Gehälter inklusive Zulagen (auch der Schichtzulage) um 5 %
  • Einmalzahlung i.H.v. 600 €
  • Erhöhung der Auszubildendenvergütung für alle Ausbildungsjahre um 60 €
  • Laufzeit des neuen Tarifvertrages: 12 Monate
  • Rechtsanspruch auf Homeoffice/mobiles Arbeiten
  • Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte und für Mehrarbeit vor Überschreiten der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit
  • Tarifvertragliches Rückkehrrecht auf Vollzeit
  • Verlängerung der Tarifvereinbarung zur Übernahme von Auszubildenden
  • Verlängerung und Weiterentwicklung des Tarifvertrages zur Qualifizierung

Zur Begründung der Lohnforderung führte sie aus: Die immens hohe Inflationsrate mache es erforderlich, Einkommensverluste auszugleichen. Darüber hinaus seien auch spürbare Lohnzuwächse unabdingbar.

Arbeitgeber-Verhandlungsführer Dr. Andreas Eurich erklärte hierzu, die Höhe der Lohnforderung zeige zwar, dass ver.di ernsthaft und auf konstruktivem Wege einen Tarifabschluss anstrebe. Dessen ungeachtet sei die Forderung deutlich zu hoch und spiegele nicht die Rahmenbedingungen wieder, in der sich die Branche befinde. Der Annäherungsprozess zwischen dem Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften werde auch diesmal schwierig.

In der Diskussion warben mehrere Mitglieder der AGV-Verhandlungskommission für einen moderaten Tarifabschluss. Die Branche leide insgesamt an der aktuellen Preisentwicklung und könne diese nicht auf die Versichertengemeinschaft einfach umlegen. Hinzu kämen erhebliche Schäden durch die Corona-Krise sowie Naturereignisse. Auch sei das politische Umfeld gegenwärtig mehr als unsicher, sodass im Sinne der Sicherstellung einer nachhaltigen Beschäftigung in der Branche ein moderater Tarifabschluss angestrebt werden müsse.

Entsprechend argumentierte der AGV auch gegenüber dem DBV.

Auf Wunsch von ver.di wurde mittels Tarifvereinbarung der zum 31. Januar 2022 auslaufende Tarifvertrag zum Übernahmeanspruch von Ausgebildeten mit guten Leistungen prophylaktisch bis zum 30. Juni 2022 verlängert, damit auch während der Tarifrunde diese Tarifregelung weitergilt. Ob die Tarifvereinbarung über diesen Zeitpunkt hinaus vereinbart werden kann, hängt vom Verlauf der weiteren Tarifhandlungen ab.

Im Konsens wurde gleichsam der Tarifvertrag zur Kurzarbeit während der COVID-19-Krise bis einschließlich 31. März 2023 verlängert, wenngleich bislang der Anwendungsbereich dieses Tarifvertrages in der Praxis äußerst gering war. Die geschlossene Tarifvereinbarung ist hier in der Anlage beigefügt.

Die Verhandlungen werden am 23. Februar 2022 in Hannover fortgesetzt.

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