Heute fand in München die erste Runde der Tarifverhandlungen für die knapp 174.000 Innendienst-Angestellten unserer Branche (einschließlich der Auszubildenden) statt. Die Verhandlungskommission der Arbeitgeber wurde von Dr. Josef Beutelmann, Vorsitzender des AGV und Vorstandsvorsitzender der Barmenia Versicherungsgesellschaften, geleitet. Verhandelt wurde mit den Gewerkschaften ver.di, DHV und DBV.
Im Mittelpunkt stand ein Meinungsaustausch über die volkswirtschaftlichen Rahmendaten und die Entwicklung der einzelnen Sparten der Versicherungswirtschaft. Auf die aktuelle volkswirtschaftliche Lage in Deutschland ging für den AGV Professor Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, ein. Er rechnet mit einem Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr von 0,7 Prozent sowie zwischen 1,0 und 1,7 Prozent in 2014; dies sei eine „länger anhaltende Seitwärtsbewegung“. Die Niedrigzinsphase, die die Lebensversicherer besonders belastet, werde „mit Sicherheit die nächsten zwei Jahre“ fortdauern. Die Inflation werde, so Professor Hüther, in diesem Jahr voraussichtlich 1,75 Prozent betragen, 2014 und 2015 voraussichtlich jeweils 2,0 Prozent. Sein Fazit: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.“
Dr. Michael Gold, Geschäftsführer des AGV, wies auf die Stagnation der laufenden Beiträge in der Lebensversicherung seit rund zehn Jahren bei gleichzeitigem Rückgang der Anzahl der Verträge hin. Die Schaden- und Unfallversicherung sei zwar maßvoll gewachsen, dennoch liege die combined ratio bei der Kfz-Versicherung bei 103 Prozent.
Die von einigen politischen Parteien und den Gewerkschaften geforderte Einführung der Bürgerversicherung wurde vom AGV in den Tarifverhandlungen besonders problematisiert. AGV-Vorsitzender Dr. Josef Beutelmann wies auf ein von ver.di selbst in Auftrag gegebenes Gutachten hin, das laut FAZ zu dem Ergebnis gekommen sein soll, dass dadurch 100.000 Arbeitsplätze in der Versicherungswirtschaft wegfallen würden. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber rechnete ver.di vor, dass bei Einführung der Bürgerversicherung im gesamten Gesundheitswesen mehrere hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden.
Frau Mensch, die Verhandlungsführerin von ver.di, verteidigte sich damit, dass ihre Gewerkschaft für ein „geregeltes Nebeneinander von GKV und PKV“ eintrete. Dabei müsse ver.di die Frage beantworten, wie ein Modell aussehen könnte, „das die PKV leben lässt“. Dass das erwähnte Gutachten nun an die Öffentlichkeit gelangt sei, würde bei diesem gewerkschaftsinternen Prozess „stören“.
Anschließend wiederholte Frau Mensch die Forderung ihrer Gewerkschaft, die Tarifgehälter um 6,5 Prozent, mindestens aber um 160 Euro monatlich, alle Zulagen um 6,5 Prozent sowie die Vergütungen für Auszubildende um 60 Euro für jedes Ausbildungsjahr zu erhöhen. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrages soll 12 Monaten betragen. Sie begründete diese Forderung mit den Unternehmensergebnissen des Jahres 2012.
Herr Dr. Beutelmann entgegnete, dass diese Gewinne in einigen Häusern maßgeblich im Ausland erwirtschaftet worden seien und zum Teil schlicht aus Nicht-Geschäft (und den damit verbundenen geringeren Abschlusskosten) resultierten. Orientierungsgröße für die Gehaltsanhebung sei das Beitragswachstum der Branche, nicht die Überschussergebnisse bzw. Gewinne einzelner Unternehmen.
Entsprechend argumentierte der AGV auch gegenüber DHV und DBV.
Die Verhandlungen werden am 2. Mai in Düsseldorf fortgesetzt.