TN 02/2017, 08.05.2017

Tarifverhandlungen Innendienst 2017 / 2018 / 2019

Am 5. Mai fand in Düsseldorf die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die knapp 170.000 Innendienst-Angestellten unserer Branche (einschließlich der Auszubildenden) statt.

Die Verhandlungskommission der Arbeitgeber wurde von Dr. Andreas Eurich, Vorsitzender des AGV und Vorstandsvorsitzender der Barmenia Versicherungen, geleitet. Verhandelt wurde mit den Gewerkschaften ver.di, DHV und DBV.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di stellte zunächst ihren Entwurf eines „Zukunftstarifvertrages Digitalisierung“ vor. Er setzt folgende inhaltliche Schwerpunkte:

  • Betriebsbedingte Beendigungskündigungen sollen per Tarifvertrag bis zum 31. Dezember 2020 branchenweit ausgeschlossen werden.
  • Regelungen zur Kurzarbeit sollen – anders als bisher – durch Betriebsräte über die Einigungsstelle durchgesetzt werden können, wobei in jedem Falle ein Teillohnausgleich von 20 % tariflich festgeschrieben sein soll.
  • Während der Dauer eines Personalabbaus sollen die Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Umwandlung ihrer tariflichen Sonderzahlungen in Freizeit erhalten.
  • Mit Beginn einer Planung über Personalabbaumaßnahmen sollen die Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit erhalten.
  • Die Arbeitnehmer sollen in einem Zeitkorridor von 19 bis 38 Stunden einen Rechtsanspruch auf „Arbeitszeit nach Wahl“ erhalten, wobei der Arbeitgeber dem Wunsch des Arbeitnehmers auch keine betrieblichen Gründe entgegenhalten können soll.
  • Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge sollen ausschließlich in Freizeit abgegolten werden, nicht aber in Geld.
  • Als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien soll ein Qualifizierungsfonds geschaffen werden. Dieser soll ausschließlich von der Arbeitgeberseite finanziert werden. Über die Verwendung der Mittel des Qualifizierungsfonds soll jedoch ein „paritätisch besetztes Gremium“ entscheiden.
  • Einführung eines individuellen Qualifizierungsanspruchs auf „bedarfsorientierte Bildungsmaßnahmen“ von zehn Arbeitstagen während der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich
  • Einführung eines „Bildungs-Sabbaticals“ mit Rückkehranspruch in das Arbeitsverhältnis bis zu einer Dauer von sieben Jahren
  • Verbot von Telearbeit/mobilem Arbeiten ohne Abschluss einer Betriebsvereinbarung
  • Verbot von mobilem Arbeiten an Samstagen und Sonntagen sowie zu Zeiten, in denen die Betriebe nicht geöffnet sind
  • Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, wenn im Rahmen von Telearbeit oder mobilem Arbeiten eine maschinelle Leistungs- und Verhaltenskontrolle erfolgt
  • Einführung einer Begründungspflicht für den Arbeitgeber bei Ablehnung eines Antrags auf mobiles Arbeiten/Telearbeit
  • Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung bei mobilem Arbeiten/Telearbeit
  • Verbot der nachträglichen Genehmigung von Mehrarbeit durch Betriebsräte bei mobilem Arbeiten (Mehrarbeit muss stets im Vorhinein beantragt werden)
  • Verpflichtung der Unternehmen, an die Gewerkschaft ver.di sämtliche E-Mail-Adressen der mobil oder in Telearbeit arbeitenden Arbeitnehmer herauszugeben

Die Gewerkschaft ver.di hatte hierzu dem Arbeitgeberverband am 28. April 2017 den Entwurf eines Tarifvertragstextes übermittelt (siehe Anhang A).

Die Gewerkschaft „Deutscher Bankangestellten Verband“ (DBV) fordert neben der Gehaltserhöhung folgende Veränderungen im Bereich des Tarifmantels:

  • Einführung eines Gesundheitstages für sämtliche Angestellten (Vorsorgeuntersuchungen)
  • Einführung von Regelungen zur Qualifizierung der Mitarbeiter, zum Bestandsschutz der Mitarbeiter und zum mobilen Arbeiten
  • Anpassung von § 13 MTV an die EuGH-Rechtsprechung: kein Verfall von übergesetzlichen (tariflichen) Urlaubsansprüchen bei langanhaltender Erkrankung

Die Gewerkschaft „Die Berufsgewerkschaft e.V.“ (DHV) hat ausdrücklich keine Manteltarifforderungen erhoben, sieht jedoch Anlass, über diverse „Zukunftsthemen“ in einen Dialog außerhalb der Gehaltstarifrunde einzutreten.

Die Vertreter des AGV brachten zum Ausdruck, dass es schwierig sei, die Digitalisierung tarifvertraglich zu „regeln“. Vielmehr erfordere die digitale Transformation passgenaue betriebliche Vereinbarungen. Zu Einschränkungen der Flexibilität dürfe es nicht kommen. Deshalb würden die Vorstellungen von ver.di mit großer Skepsis aufgenommen. Nahezu alle gewerkschaftlichen Forderungen stellten eine zusätzliche Kostenbelastung dar, so dass man hinter diese ein „Preisschild“ heften müsse.

Der AGV sagte zu, sich in der dritten Verhandlungsrunde im Detail zu dem von ver.di vorgelegten Tarifvertragsentwurf zu positionieren. Seinerseits brachte der Arbeitgeberverband drei Forderungen zur Veränderung des Manteltarifvertrages in die Verhandlungen ein:

  • Ausweitung der Höchstüberlassungsdauer gemäß AÜG von 18 Monaten auf 480 Monate für die konzerninterne erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung sowie auf 120 Monate für die sonstigen Fälle von Arbeitnehmerüberlassung.
  • Einführung einer Tariföffnungsklausel für abweichende arbeitsvertragliche Vereinbarungen mit Angestellten, die ein weit übertarifliches Gehalt erhalten.
  • Option der Umwandlung der Tarifgehaltserhöhung in betriebliche Altersversorgung gemäß Absprache mit den Betriebsräten bei gleichzeitigem Recht der Arbeitnehmer, gegen eine derartige Umwandlung der Gehaltserhöhung in betriebliche Altersversorgung votieren zu können (sog. „Opt-out“)

Das entsprechende Anschreiben des AGV gegenüber der Gewerkschaft ver.di vom 10. April 2017 ist als Anhang B beigefügt. Die Gewerkschaften DHV und DBV haben praktisch gleichlautende Schreiben erhalten.

Ferner gab der AGV folgendes erstes Angebot ab:

  • Lineare Anhebung der Tarifgehälter (einschließlich Tätigkeits- und Verantwortungszulagen) sowie der Vergütungen für Auszubildende um 1,1 % ab 1. November 2017, um weitere 1,0 % ab 1. November 2018 und um weitere 0,9 % ab 1. November 2019. Damit ergäbe sich insgesamt eine Anhebung des Tarifniveaus um 3,03 %.
  • Laufzeit des neuen Tarifvertrages: 36 Monate, vom 1. April 2017 bis 31. März 2020.

Herr Dr. Eurich verwies auf die hohe Vorbelastung für das Jahr 2017: Jeder Versicherungsangestellte hat aufgrund des letzten Tarifabschlusses vom 23. Mai 2015 in diesem Jahr schon 1,5 % mehr Tariflohn als im Jahr 2016 “in der Tasche“, weil die letzte Tarifanhebung (2,1 % ab. 1. Oktober 2016) erst drei Monate vor Jahresende erfolgte. Daraus resultiere der Vorschlag, sieben Monate ohne Tariferhöhung zu halten, so dass bis zur nächsten linearen Anhebung – am 1. November 2017 – eine Zeitspanne von 13 Monaten liege.

Die Verhandlungen werden am 2. Juni in Hamburg fortgesetzt.

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